Gottfried Keller, Regen-Sommer |
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Nasser Staub auf allen Wegen! |
Dorn und Distel hängt voll Regen |
Und der Bach schreit wie ein Kind! |
Nirgends blüht ein Regenbogen, |
Ach, die Sonn' ist weggezogen |
Und der Himmel taub und blind! |
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Traurig ruhn des Waldes Lieder, |
Alle Saat legt sich darnieder, |
Frierend schläft der Wachtel Brut. |
Jahreshoffnung, fahler Schimmer! |
Mit den Menschen steht's noch schlimmer, |
Kalt und träge schleicht ihr Blut! |
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Krankes Weib am Findelsteine |
Mit dem Säugling, weine! weine |
Trostlos oder hoffnungsvoll: |
Nicht im Feld und auf den Bäumen - |
In den Herzen muss es keimen, |
Wenn es bessser werden soll! |
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Fleh' zu Gott, der ja die Saaten |
Und das Menschenherz beraten, |
Bete heiß und immerdar, |
Dass er, unsre Not zu wenden, |
Wolle Licht und Wärme senden |
Und ein gutes Menschenjahr! |
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Verfasser dieses deutschen Gedichtes ist Gottfried Keller (Gotfrido Kelero, *1819-07-09 - †1890-07-16). |