Heinrich Heine, Buch der Lieder, Traumbilder, V |
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Was treibt und tobt mein tolles Blut? |
Was flammt mein Herz in wilder Glut? |
Es kocht mein Blut und schäumt und gärt, |
Und grimme Glut mein Herz verzehrt. |
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Das Blut ist toll und gärt und schäumt, |
Weil ich den bösen Traum geträumt; |
Es kam der finstre Sohn der Nacht |
Und hat mich keuchend fortgebracht. |
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Er bracht' mich in ein helles Haus, |
Wo Harfenklang uns Saus und Braus |
Und Fackelglanz und Kerzenschein; |
Ich kam zum Saal, ich trat hinein. |
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Das war ein lustig Hochzeitsfest; |
Zu Tafel saßen froh die Gäst', |
Und wie ich nach dem Braupaar schaut' - |
O weh! Mein Liebchen war die Braut. |
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Das war mein Liebchen wunnesam, |
En fremder Mann war Bräutigam; |
Dicht hinterm Ehrenstuhl der Braut, |
Da blieb ich stehn, gab keinen Laut. |
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Es rauscht' Musik, gar still stand ich; |
Der Freudenlärm betrübte mich. |
Die Braut, sie blickt so hochbeglückt, |
Der Bräutgam ihre Hände drückt. |
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Der Bräutgam füllt den Becher sein, |
Und trinkt daraus, und reicht gar fein |
Der Braut ihn hin; sie lächelt Dank - |
O weh! mein rotes Blut sie trank. |
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Die Braut ein hübsches Äpflein nahm, |
Und reicht es hin dem Bräutigam. |
Der nahm seine Messer, schnitt hinein - |
O weh! das war das Herze mein. |
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Sie äugeln süß, sie äugeln lang, |
Der Bräutgam kühn die Braut umschlang, |
Und küsst' sie auf die Wangen rot - |
O weh! mich küsst der kalte Tod. |
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Wie Blei lag meine Zung' im Mund, |
Dass ich kein Wörtlein sprechen kunnt. |
Da rauscht es auf, der Tanz begann; |
Das schmucke Brautpaar tanzt voran. |
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Und wie ich stand so leichenstumm, |
Die Tänzer schweben flink herum; - |
Ein leises Wort der Bräutgam spricht, |
Die Braut wird rot, doch zürnt sie nicht. |
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Verfasser dieses deutschen Gedichtes ist Heinrich Heine (*1797-12-13 - †1856-02-17). |