Heinrich Heine, Buch der Lieder, Traumbilder IX |
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Ich lag und schlief, und schlief recht mild, |
Verscheucht war Gram und Leid; |
Da kam zu mir ein Traumgebild, |
Die allerschönste Maid. |
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Sie war wie Marmelstein so bleich, |
Und heimlich wunderbar; |
Im Auge schwamm es perlengleich, |
Gar seltsam wallt' ihr Haar. |
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Und leise, leise sich bewegt |
Die marmorblasse Maid, |
Und an mein Herz sich niederlegt |
Die marmorblasse Maid. |
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Wie bebt und pocht vor Weh und Lust |
Mein Herz, und brennet heiß! |
Nicht bebt, nicht pocht der Schönen Brust, |
Die ist so kalt wie Eis. |
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»Nicht bebt, nicht pocht wohl meine Brust; |
Die ist wie Eis so kalt; |
Doch kenn auch ich der Liebe Lust, |
Der Liebe Allgewalt. |
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Mir blüht kein Rot auf Mund und Wang, |
Mein Herz durchströmt kein Blut; |
Doch sträube dich nicht schaudernd bang, |
Ich bin dir hold und gut.« |
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Und wilder noch umschlang sie mich, |
Und tat mir fast ein Leid; |
Da kräht der Hahn - und stumm entwich |
Die marmorblasse Maid. |
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Verfasser dieses deutschen Gedichtes ist Heinrich Heine (*1797-12-13 - †1856-02-17). |