Heinrich Heine, Buch der Lieder, Junge Leiden, Romanzen VI |
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Nach Frankreich zogen zwei Grenadier, |
Die waren in Rußland gefangen. |
Und als sie kamen ins deutsche Quartier, |
Sie ließen die Köpfe hangen. |
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Da hörten sie beide die traurige Mär: |
Daß Frankreich verloren gegangen, |
Besiegt und zerschlagen das große Heer - |
Und der Kaiser, der Kaiser gefangen. |
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Da weinten zusammen die Grenadier |
Wohl ob der kläglichen Kunde. |
Der eine sprach: Wie weh wird mir, |
Wie brennt meine alte Wunde! |
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Der andre sprach: Das Lied ist aus, |
Auch ich möcht mit dir sterben, |
Doch hab ich Weib und Kind zu Haus, |
Die ohne mich verderben. |
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Was schert mich Weib, was schert mich Kind, |
Ich trage weit beßres Verlangen; |
Laß sie betteln gehn, wenn sie hungrig sind - |
Mein Kaiser, mein Kaiser gefangen! |
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Gewähr mir, Bruder, eine Bitt: |
Wenn ich jetzt sterben werde, |
So nimm meine Leiche nach Frankreich mit, |
Begrab mich in Frankreichs Erde. |
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Das Ehrenkreuz am roten Band |
sollst du aufs Herz mir legen; |
Die Flinte gib mir in die Hand, |
Und gürt mir um den Degen. |
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So will ich liegen und horchen still, |
Wie eine Schildwach, im Grabe, |
Bis einst ich höre Kanonengebrüll |
Und wiehernder Rosse Getrabe. |
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Dann reitet mein Kaiser wohl über mein Grab, |
Viel Schwerter klirren und blitzen; |
Dann steig ich gewaffnet hervor aus dem Grab, |
Den Kaiser, den Kaiser zu schützen. |
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Verfasser dieses deutschen Gedichtes ist Heinrich Heine (*1797-12-13 - †1856-02-17). |