N. N. 01, Das Schneeglöckchen |
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Es war Winterzeit. Die Luft war kalt und der Wind scharf; aber zu Hause war es warm und gemütlich. In seinem eigenen Häuschen saß das Schneeglöckchen; es schlummerte in seiner Zwiebel unter der Erde und Schnee. Eines Ta-ges fiel Regen. Die Tropfen drangen durch die Schneedecke hinab in die Erde; sie berührten die Blumenzwiebel und erzählten ihr von der Lichtwelt da oben. Bald drang auch ein Licht-strahl ganz fein durch den Schnee hinab zu der Zwiebel und streichelte sie mit ihrer Wärme. |
"Komm herein!" sagte die Blume. "Das kann ich nicht", sagte der Sonnenstrahl, "ich bin noch nicht stark genug, um die Erde ganz aufzu-schließen. Erst zum Sommer werde ich stärker." |
"Wann ist es Sommer?" fragte die Blume, und sie wiederholte diese Frage, sooft ein Sonnen-strahl zu ihr hinabdrang. Aber noch lag der Schnee, und es fror Eis auf dem Wasser in jeder Nacht. "Wie lange das dauert!" sagte ungedul-dig die Blume. "Ich muß mich strecken! |
Ich muß hinaus und dem Sommer einen guten Morgen zunicken! Es wird hohe Zeit!" |
Und die Blume reckte und streckte sich drinnen gegen die dünne Schale, die das Wasser von au-ßen weichgemacht und die Sonne gestreichelt hatte. |
Bald sproß sie unter dem Schnee hervor |
mit weißgrüner Knospe auf grünem Stengel |
und mit schmalen, dicken Blättern, die sie gleich einem Mantel umgaben. Der Schnee war kalt, aber vom Lichte durchstrahlt. "Willkom-men! Willkommen!" klang jeder Strahl, und die Blume erhob sich über den Schnee hinaus in die Lichtwelt. Und als die warmen Strahlen der Mittagssonne sie küssten, da öffnete sie sich ganz, weiß wie der Schnee und geschmückt mit grünen Streifen. Sie neigte ihr Haupt in Freude und Demut. "Wunderschöne Blume!" sangen die Sonnenstrahlen, "wie bist du frisch und zart! Du bist die Erste, du bist die Einzige. Du läutest den Frühling ein!" Das war eine Lust! Es war, |
als ob die Luft sänge und klänge, als ob die Strahlen des Lichtes dem Schneeglöckchen in seine Blätter und seine Stengel hineindrängten. Aber es war noch weit bis zur Sommerzeit. |
Wolken verhüllten bald wieder die Sonne, und scharfe Winde brausten über das arme Schnee-glöckchen fort. |
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"Du bist zu früh gekommen!" sagten Wind und Wetter. "Noch führen wir das Regiment. Du wärest besser nicht hinausgelaufen, um Staat zu machen. Es ist noch nicht an der Zeit!" Aber die kleine Blume hatte mehr Stärke in sich, als sie selbst wusste! Und so stand sie da in ihrer weißen Tracht mitten im Schnee und neigte ihr Haupt, wenn die Schneeflocken dicht und schwer auf sie herabsanken und die eisigen Winde über sie dahinfuhren. "Du brichst ab!" sagten sie, "Du verwelkst! Du erfrierst! Was wolltest du auch schon draußen? Der Sonnen-strahl hat dich genarrt!" Aber gegen Mittag ka-men einige Kinder in den Garten. "Oh ein Schneeglöckchen!" jubelten sie, "da steht eins, so schön, so reizend, das erste, das einzige!" |
Und diese Worte taten der Blume so wohl; |
das waren Worte wie warme Sonnenstrahlen. |
Das kleine Schneeglöckchen empfand in seiner Freude nicht einmal, daß es gepflückt wurde. Es lag in Kinderhand, wurde in die warme Stube gebracht, von freundlichen Augen betrachtet |
und von weichen Händen ins Wasser gestellt. |
Das Blümchen fühlte sich neu gestärkt und be-lebt, als wäre es auf einmal mitten in den Som-mer hineinversetzt. |
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Author of this German poem is N. N. 01. |