Theodor Storm, Wohl fühl ich , wie das Leben rinnt |
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Wohl fühl ich, wie das Leben rinnt, |
Und dass ich endlich scheiden muss, |
Dass endlich doch das letzte Lied |
Und endlich kommt der letzte Kuss. |
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Noch häng ich fest an deinem Mund |
In schmerzlich bangender Begier; |
Du gibst der Jugend letzten Kuss, |
Die letzte Rose gibst du mir. |
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Du schenkst aus jenem Zauberkelch |
Den letzten goldnen Trunk mir ein; |
Du bist aus jener Märchenwelt |
Mein allerletzter Abendschein. |
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Am Himmel steht der letzte Stern, |
O halte nicht dein Herz zurück; |
Zu deinen Füßen sink ich hin, |
O fühls, du bist das letzte Glück! |
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Lass einmal noch durch meine Brust |
Des vollsten Lebens Schauer wehn, |
Eh seufzend in die große Nacht |
Auch meine Sterne untergehn. |
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Author of this German poem is Theodor Storm (Teodoro Stormo, *1817-09-14 - †1888-07-04). |