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Verfasser [Vorname] | Titel | Sprache | Erscheinung | Kennung | letzte Änderung | Ansicht |
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Johann Wolfgang von Goethe | * Hermann und Dorothea, 9. Gesang | Deutsch | Arg-545-269 | 2004-09-15 10:29 Manfred | nur diese entfernen | |
Benno Küster | Hermano kaj Doroteo, 9a kanto [-] | Esperanto | 1911 | Arg-546-269 | 2004-09-15 16:18 Manfred | nur diese entfernen |
Johann Wolfgang von Goethe, | Johann Wolfgang von Goethe, | |
übersetzt von Benno Küster | ||
Kalliope. Schicksal und Anteil | Kaliopo. Sorto kaj kompatemo | |
Musen, die ihr so gern die herzliche Liebe begünstigt, | Argiope Information: | |
Auf dem Wege bisher den trefflichen Jüngling geleitet, | Aufgrund urheberrechtlicher Bedenken ist | |
An die Brust ihm das Mädchen noch vor der Verlobung gedrückt habt, | die Anzeige dieser Version unterbunden. | |
Helfet auch ferner den Bund des lieblichen Paares vollenden, | ||
Teilet die Wolken sogleich, die über ihr Glück sich heraufziehn! | Übersetzung des deutschen Gedichtes "Hermann und Dorothea, 9. Gesang" von Johann Wolfgang von Goethe (*1749-08-28 - †1832-03-22) ins Esperanto durch Benno Küster (*1861-07-09 - †1916-10-24) in 1911. | |
Aber saget vor allem, was jetzt im Hause geschiehet. | ||
Ungeduldig betrat die Mutter zum drittenmal wieder | ||
Schon das Zimmer der Männer, das sorglich erst sie verlassen, | ||
Sprechend vom nahen Gewitter, vom schnellen Verdunkeln des Mondes, | ||
Dann vom Außenbleiben des Sohns und der Nächte Gefahren, | ||
Tadelte lebhaft die Freunde, daß, ohne das Mädchen zu sprechen, | ||
Ohne zu werben für ihn, sie so bald sich vom Jüngling getrennet. | ||
„Mache nicht schlimmer das Übel“, versetzte unmutig der Vater; | ||
Denn du siehst, wir harren ja selbst und warten des Ausgangs.“ | ||
Aber gelassen begann der Nachbar sitzend zu sprechen: | ||
„Immer verdank’ ich es noch in solch unruhiger Stunde | ||
Meinem seligen Vater, der mir, als Knaben, die Wurzel | ||
Aller Ungeduld entriss, dass auch kein Fäßchen zurückblieb, | ||
Und ich erwarten lernte sogleich, wie keiner der Weisen. | ||
„Sagt“, versetzte der Pfarrer, welch Kunststück brauchte der Alte?“ | ||
„Das erzähl’ ich euch gern, denn jeder kann es sich merken“, | ||
Sagte der Nachbar darauf.“ Als Knabe stand ich am Sonntag | ||
Ungeduldig einmal, die Kutsche begierig erwartend, | ||
Die uns sollte hinaus zum Brunnen führen der Linden. | ||
Doch sie kam nicht, ich lief, wie ein Wiesel dahin und dorthin, | ||
Treppen hinauf und hinab und von dem Fenster zur Türe. | ||
Meine Hände prickelten mir, ich kratzte die Tische, | ||
Trappelte stampfend herum, und nahe war mir das Weinen. | ||
Alles sah der gelassene Mann; doch als ich es endlich | ||
Gar zu töricht betrieb, ergriff er mich ruhig beim Arme, | ||
Führte zum Fenster mich hin und sprach die bedenklichen Worte: | ||
‚Siehst du des Tischlers da drüben für heute geschlossene Werkstatt? | ||
Morgen eröffnet er sie, da rühret sich Hobel und Säge, | ||
Und so geht es von frühe bis abend die fleißigen Stunden. | ||
Aber bedenke dir dies: der Morgen wird künftig erscheinen, | ||
Da der Meister sich regt mit allen seinen Gesellen, | ||
Dir den Sarg zu bereiten und schnell und geschickt zu vollenden; | ||
Und sie tragen das bretterne Haus geschäftig herüber, | ||
Das den Geduld’gen zuletzt und den Ungeduldigen aufnimmt | ||
Und gar bald ein drückendes Dach zu tragen bestimmt ist.’ | ||
Alles sah ich sogleich im Geiste wirklich geschehen, | ||
Sah die Bretter gefügt und die schwarze Farbe bereitet, | ||
Saß geduldig nunmehr und harrete ruhig der Kutsche. | ||
Rennen andere nun in zweifelhafter Erwartung | ||
Ungebärdig herum, da muss ich des Sarges gedenken. | ||
Lächelnd sagte der Pfarrer: „Des Todes rührendes Bild steht | ||
Nicht als Schrecken dem Weisen und nicht als Ende dem Frommen. | ||
Jenen drängt es ins Leben zurück und lehret ihn handeln; | ||
Diesem stärkt es, zu künftigem Heil, in Trübsal die Hoffnung; | ||
Beiden wird zum Leben der Tod. Der Vater mit Unrecht | ||
Hat dem empfindlichen Knaben den Tod im Tode gewiesen. | ||
Zeige man doch dem Jüngling des edel reifenden Alters | ||
Wert und dem Alter die Jugend, dass beide des ewigen Kreises | ||
Sich erfreuen und so sich zum Leben im Leben vollenden!“ | ||
Aber die Tür ging auf. Es zeigte das herrliche Paar sich, | ||
Und es erstaunten die Freunde, die liebenden Eltern erstaunten | ||
Über die Bildung der Braut, des Bräutigams Bildung vergleichbar; | ||
Ja, es schien die Türe zu klein, die hohen Gestalten | ||
Einzulassen, die nun zusammen betraten die Schwelle. | ||
Hermann stellte den Eltern sie vor mit fliegenden Worten: | ||
„Hier ist,“ sagt’ er, „ein Mädchen, so wie Ihr im Hause sie wünschet. | ||
Lieber Vater, empfanget sie gut! Sie verdient es. Und liebe | ||
Mutter, befragt sie sogleich nach dem ganzen Umfang der Wirtschaft, | ||
Dass Ihr seht, wie sehr sie verdient, Euch näher zun werden.“ | ||
Eilig führt’ er darauf den trefflichen Pfarrer beiseite, | ||
Sagte: „Würdiger Herr, nun helft mir aus dieser Besorgnis | ||
Schnell und löset den Knoten, vor dessen Entwicklung ich schaudre. | ||
Denn ich habe das Mädchen als meine Braut nicht geworben, | ||
Sondern sie glaubt, als Magd in das Haus zu gehen, und ich fürchte, | ||
Dass unwillig sie flieht, sobald wir gedenken der Heirat. | ||
Aber entschieden sei es sogleich! Nicht länger im Irrtum | ||
Soll sie bleiben, wie ich nicht länger den Zweifel ertrage. | ||
Eilet und zeiget auch hier die Weisheit, die wir verehren!“ | ||
Und es wendete sich der Geistliche gleich zur Gesellschaft. | ||
Aber leider getrübt war durch die Rede des Vaters | ||
Schon die Seele des Mädchens; er hatte die munteren Worte, | ||
Mit behaglicher Art, im guten Sinne gesprochen: | ||
„Ja, das gefällt mir, mein Kind! Mit Freuden erfahr’ ich, der Sohn hat | ||
Auch wie der Vater Geschmack, der seinerzeit es gewiesen, | ||
Immer die Schönste zum Tanze geführt und endlich die Schönste | ||
In sein Haus als Frau sich geholt: das Mütterchen war es. | ||
Denn an der Braut, die der Mann sich erwählt, lässt gleich sich erkennen,. | ||
Welches Geistes er ist und ob er sich eigenen Wert fühlt. | ||
Aber Ihr brauchtet wohl auch nur wenig Zeit zur Entschließung? | ||
Denn mich dünket fürwahr, ihm ist so schwer nicht zu folgen.“ | ||
Hermann hörte die Worte nur flüchtig, ihm bebten die Glieder | ||
Innen, und stille war der ganze Kreis nun auf einmal. | ||
Aber das treffliche Mädchen, von solchen spöttischen Worten, | ||
Wie sie ihr schienen, verletzt und tief in der Seele getroffen, | ||
Stand, mit fliegender Röte die Wange bis gegen den Nacken | ||
Übergosssen; doch hielt sie sich an und nahm sich zusammen, | ||
Sprach zu dem Alten darauf, nicht völlig die Schmerzen verbergend: | ||
„Traun, zu solchem Empfang hat mich der Sohn nicht bereitet, | ||
Der mir des Vaters Art geschildert, des trefflichen Bürgers! | ||
Und ich weiß, ich stehe vor Euch, dem gebildeten Manne, | ||
Der sich klug mit jedem beträgt und gemäß den Personen. | ||
Aber so scheint es, Ihr fühlt nicht Mitleid genug mit der Armen, | ||
Die nun die Schwelle betritt und die Euch zu dienen bereit ist! | ||
Denn sonst würdet Ihr nicht mit bitterem Spotte mir zeigen, | ||
Wie entfernt mein Geschick von Eurem Sohn und von Euch sei. | ||
Freilich tret’ ich nur arm, mit kleinem Bündel ins Haus ein, | ||
Das, mit allem versehn, die frohen Bewohner gewiss macht; | ||
Aber ich kenne mich wohl und fühle das ganze Verhältnis. | ||
Ist es edel, mich gleich mit solchem Spotte zu treffen, | ||
Der auf der Schwelle beinah mich schon aus dem Hause zurücktreibt?“ | ||
Bang bewegte sich Hermann und winkte dem geistlichen Freunde, | ||
Dass er ins Mittel sich schlüge, sogleich zu verscheuchen den Irrtum. | ||
Eilig trat der Kluge heran und schaute des Mädchens | ||
Stillen Verdruss und verhaltenen Schmerz und Tränen im Auge. | ||
Da befahl ihm sein Geist, nicht gleich die Verwirrung zu lösen, | ||
Sondern vielmehr das bewegte Gemüt zu prüfen des Mädchens. | ||
Und er sagte darauf zu ihr mit versuchenden Worten: | ||
„Sicher, du überlegtest nicht wohl, o Mädchen des Auslands, | ||
Wenn du bei Fremden zu dienen dich allzu eilig entschlossest, | ||
Was es heiße, das Haus des gebietenden Herrn zu betreten; | ||
Denn der Handschlag bestimmt das ganze Schicksal des Jahres, | ||
Und gar vieles zu dulden verbindet ein einziges Jawort. | ||
Sind doch nicht das Schwerste des Diensts die ermüdenden Wege, | ||
Nicht der bittere Schweiß der ewig drändenden Arbeit; | ||
Denn mit dem Knechte zugleich bemüht sich der tätige Freie; | ||
Aber zu dulden die Laune des Herrn, wenn er ungerecht tadelt, | ||
Oder dieses und jenes begehrt, mit sich selber im Zwiespalt, | ||
Und die Heftigkeit noch der Frauen, die leicht sich entzürnet. | ||
Mit der Kinder roher und übermütiger Unart: | ||
Das ist schwer zu ertragen und doch die Pflicht zu erfüllen | ||
Ungesäumt und rasch, und selbst nicht mürrisch zu stocken. | ||
Doch du scheinst mir dazu nicht geschickt, da die Scherze des Vaters | ||
Schon dich treffen so tief und doch nichts gewöhnlicher vorkommt, | ||
Als ein Mädchen zu plagen, dass wohl ihr ein Jüngling gefalle.“ | ||
Also sprach er. Es fühlte die treffende Rede das Mädchen, | ||
Und sie hielt sich nicht mehr; es zeigten sich ihre Gefühle | ||
Mächtig, es hob sich die Brust, aus der ein Seufzer hervordrang. | ||
Und sie sagte sogleich mit heiß vergossenen Tränen: | ||
„O, nie weiß der verständige Mann, der im Schmerz uns zu raten | ||
Denkt, wie wenig sein Wort, das kalte, die Brust zu befreien | ||
Je von dem Leiden vermag, das ein hohes Schicksal uns auflegt. | ||
Ihr seid glücklich und froh, wie sollt’ ein Scherz Euch verwunden! | ||
Doch der Krankende fühlt auch schmerzlich die leise Berührung. | ||
Nein, es hülfe mir nichts, wenn selbst mir Verstellung gelänge. | ||
Zeige sich gleich, was später nur tiefere Schmerzen vermehrte | ||
Und mich dränge vielleicht in stillverzehrendes Elend. | ||
Lasst mich wieder hinweg! Ich darf im Hause nicht bleiben; | ||
Ich will fort und gehe, die armen Meinen zu suchen, | ||
Die ich im Unglück verließ, für mich nur das Bessere wählend. | ||
Dies ist mein fester Entschluss, und ich darf Euch darum nun bekennen, | ||
Was im Herzen sich sonst wohl Jahre hätte verborgen. | ||
Ja, des Vaters Spott hat tief mich getroffen, nicht weil ich | ||
Stolz und empfindlich bin, wie es wohl der Magd nicht geziemet, | ||
Sondern weil mir fürwahr im Herzen die Neigung sich regte | ||
Gegen den Jüngling, der heute mir als ein Erretter erschienen. | ||
Denn als er erst auf der Straße mich ließ, so war er mir immer | ||
In Gedanken geblieben: ich dachte des glücklichen Mädchens, | ||
Das er vielleicht schon als Braut im Herzen möchte bewahren. | ||
Und als ich wieder am Brunnen ihn fand, da freut’ ich mich seines | ||
Anblicks so sehr, als wär’ mir der Himmlischen einer erschienen, | ||
Und ich folgt’ ihm so gern, als nun er zur Magd mich geworben. | ||
Doch mir schmeichelte freilich das Herz (ich will es gestehen) | ||
Auf dem Wege hierher, als könnt’ ich vielleicht ihn verdienen, | ||
Wenn ich würde des Hauses dereinst unentbehrliche Stütze. | ||
Aber, ach! Nun seh’ ich zuerst die Gefahren, in die ich | ||
Mich begab, so nah dem still Geliebten zu wohnen. | ||
Nun erst fühl’ ich, wie weit ein armes Mädchen entfernt ist | ||
Von dem reicheren Jüngling, und wenn sie die tüchtigste wäre. | ||
Alles das hab’ ich gesagt, damit Ihr das Herz nicht verkennet, | ||
Das ein Zufall beleidigt, dem ich die Besinnung verdanke. | ||
Denn das musst’ ich erwarten, die stillen Wünsche verbergend, | ||
Dass er sich brächte zunächst die Braut zum Hause geführet; | ||
Und wie hätt’ ich alsdann die heimlichen Schmerzen ertragen! | ||
Glücklich bin ich gewarnt, und glücklich löst das Geheimnis | ||
Von dem Busen sich los, jetzt, da noch das Übel ist heilbar. | ||
Aber das sei nun gesagt. Und nun soll im Hause mich länger | ||
Hier nichts halten, wo ich beschämt und ängstlich nun stehe, | ||
Frei die Neigung bekennend und jene törichte Hoffnung. | ||
Nicht die Nacht, die breit sich bedeckt mit sinkenden Wolken, | ||
Nicht der rollende Donner (ich hör’ ihn) soll mich verhindern, | ||
Nicht des Regens Guss, der draußen gewaltsam herabschlägt, | ||
Noch der sausende Sturm. Das hab’ ich alles ertragen | ||
Auf der traurigen Flucht und nah am verfolgenden Feinde. | ||
Und ich gehe nun wieder hinaus, wie ich lange gewohnt bin, | ||
Von dem Strudel der Zeit ergriffen, von allem zu scheiden. | ||
Lebet wohl! Ich bleibe nicht länger; es ist nun geschehen.“ | ||
Also sprach sie, sich rasch zurück nach der Türe bewegend, | ||
Unter dem Arm das Bündelchen noch, das sie brachte, bewahrend. | ||
Aber die Mutter ergriff mit beiden Armen das Mädchen, | ||
Um den Leib sie fassend, und rief verwundert und staunend: | ||
„Sag’, was bedeutet mir dies? Und diese vergeblichen Tränen? | ||
Nein, ich lasse dich nicht! Du bist mir des Sohnes Verlobte. | ||
Aber der Vater stand mit Widerwillen dagegen, | ||
Auf die Weinende schauend, und sprach die verdrießlichen Worte: | ||
„Also das ist mir zuletzt für die höchste Nachsicht geworden, | ||
Dass mir das Unangenehmste geschieht noch zum Schlusse des Tages! | ||
Denn mir ist unleidlicher nichts als Tränen der Weiber, | ||
Leidenschaftlich Geschrei, das heftig verworren beginnet, | ||
Was mit ein wenig Vernunft sich ließe gemächlicher schlichten. | ||
Mir ist lästig, noch länger dies wunderliche Beginnen | ||
Anzuschauen. Vollendet es selbst! Ich gehe zu Bette.“ | ||
Und er wandte sich schnell und eilte, zur Kammer zu gehen, | ||
Wo ihm das Eh’bett stand und wo er zu ruhen gewohnt war. | ||
Aber ihn hielt der Sohn und sagte die flehenden Worte: | ||
„Vater, eilet nur nicht und zürnt nicht über das Mädchen! | ||
Ich nur habe die Schuld von aller Verwirrung zu tragen, | ||
Die unerwartet der Freund noch durch Verstellung vermehrt hat. | ||
Redet, würdiger Herr! Denn Euch vertraut’ ich die Sache. | ||
Häufet nicht Angst und Verdruss; vollendet lieber das Ganze! | ||
Denn ich möchte so hoch Euch nicht in Zukunft verehren, | ||
Wenn Ihr Schadenfreude nur übt statt herrlicher Weisheit.“ | ||
Lächelnd versetzte darauf der würdige Pfarrer und sagte: | ||
„Welche Klugheit hätte denn wohl das schöne Bekenntnis | ||
Dieser Guten entlockt und uns enthüllt ihr Gemüte? | ||
Ist nicht die Sorge sogleich dir zur Wonn’ und Freude geworden? | ||
Rede darum nur selbst! Was bedarf es fremder Erklärung?“ | ||
Nun trat Hermann hervor und sprach die freundlichen Worte: | ||
„Lass dich die Tränen nicht reun, noch diese flüchtigen Schmerzen; | ||
Denn sie vollenden mein Glück und, wie ich wünsche, das deine. | ||
Nicht, das treffliche Mädchen als Magd, die Fremde, zu dingen, | ||
Kam ich zum Brunnen: ich kam, um deine Liebe zu werben. | ||
Aber ach! Mein schüchterner Blick, er konnte die Neigung | ||
Deines Herzens nicht sehn; nur Freundlichkeit sah er im Auge, | ||
Als aus dem Spiegel du ihn des ruhigen Brunnens begrüßtest. | ||
Dich ins Haus nur zu führen, es war schon die Hälfte des Glückes. | ||
Aber nun vollendest du mir’s! O, sei mir gesegnet! – | ||
Und es schaute das Mädchen mit tiefer Rührung zum Jüngling | ||
Und vermied nicht Umarmung und Kuss, den Gipfel der Freude, | ||
Wenn sie den Liebenden sind die lang’ ersehnte Versichrung | ||
Künftigen Glücks im Leben, das nun ein unendliches scheinet. | ||
Und den übrigen hatte der Pfarrer alles erkläret. | ||
Aber das Mädchen kam, vor dem Vater sich herzlich mit Anmut | ||
Neigend und so ihm die Hand, die zurückgezogene küssend, | ||
Sprach: „Ihr werdet gerecht der Überraschten verzeihen, | ||
Erst die Tränen des Schmerzes und nun die Tränen der Freude. | ||
O, vergebt mir jenes Gefühl! Vergebt mir auch dieses | ||
Und lasst nur mich ins Glück, da neu mir gegönnte, mich finden! | ||
Ja, der erste Verdruss, an dem ich Verworrene schuld war, | ||
Sei der letzte zugleich! Wozu die Magd sich verpflichtet, | ||
Treu zu liebendem Dienst, den soll die Tochter Euch leisten.“ | ||
Und der Vater umarmte sie gleich, die Tränen verbergend. | ||
Traulich kam die Mutter herbei und küsste sie herzlich, | ||
Schüttelte Hand in Hand; es schwiegen die weinenden Frauen. | ||
Eilig erfasste darauf der gute, verständige Pfarrherr | ||
Erst des Vaters Hand und zog ihm vom Finger den Trauring | ||
(Nicht so leicht; er war vom rundlichen Gliede gehalten) | ||
Nahm den Ring der Mutter darauf und verlobte die Kinder, | ||
Sprach: „Noch einmal sei der goldenen Reifen Bestimmung, | ||
Fest ein Band zu knüpfen, das völlig gleiche dem alten. | ||
Dieser Jüngling ist tief von der Liebe zum Mädchen durchdrungen, | ||
Und das Mädchen gesteht, dass auch ihr der Jüngling erwünscht ist. | ||
Also verlob’ ich Euch hier und segn’ Euch künftigen Zeiten, | ||
Mit dem Willen der Eltern und mit dem Zeugnis des Freundes.“ | ||
Und es neigte sich gleich mit Segenswünschen der Nachbar. | ||
Aber als der geistliche Herr den goldenen Reif nun | ||
Steckt’ an die Hand des Mädchens, erblickt’ er den andern staunend, | ||
Den schon Hermann zuvor am Brunnen sorglich betrachtet. | ||
Und er sagte darauf mit freundlich scherzenden Worten: | ||
„Wie? Du verlobest dich schon zum zweitenmal? Dass nicht der erste | ||
Bräutigam bei dem Altar sich zeige mit hinderndem Einspruch!“ | ||
Aber sie sagte darauf: „O, lasst mich dieser Erinn’rung | ||
Einen Augenblick weihen! Denn wohl verdient sie der Gute, | ||
Der mir ihn scheidend gab und nicht zur Heimat zurückkam. | ||
Alles sah er voraus, als rasch die Liebe der Freiheit, | ||
Als ihn die Lust, im neu veränderten Wesen zu wirken, | ||
Trieb, nach Paris zu gehen, dahin, wo er Kerker und Tod fand. | ||
‚Lebe glücklich!’ sagt’ er, ‚Ich gehe; denn alles bewegt sich | ||
Jetzt auf Erden einmal, es scheint sich alles zu trennen. | ||
Grundgesetze lösen sich auf der festesten Staaten, | ||
Und es löst der Besitz sich los vom alten Besitzer, | ||
Freund löst sich von Freund: so löst sich Liebe von Liebe. | ||
Ich verlasse dich hier; und wo ich jemals dich wieder | ||
Finde – wer weiß es? Vielleicht sind diese Gespräche die letzten. | ||
Nur ein Fremdling, sagt man mit Recht, ist der Mensch hier auf Erden; | ||
Mehr ein Fremdling als jemals ist nun ein jeder geworden. | ||
Uns gehört der Boden nicht mehr, es wandern die Schätze; | ||
Gold und Silber schmilzt aus den alten heiligen Formen; | ||
Alles regt sich, als wollte die Welt, die gestaltete rückwärts | ||
Lösen in Chaos und Nacht sich auf und neu sich gestalten. | ||
Du bewahrst mir dein Herz; und finden dereinst wir uns wieder | ||
Über den Trümmern der Welt, so sind wir erneute Geschöpfe, | ||
Umgebildet und frei und unabhängig vom Schicksal. | ||
Denn was fesselte den, der solche Tage durchlebt hat! | ||
Aber soll es nicht sein, dass je wir, aus diesen Gefahren | ||
Glücklich entronnen, uns einst mit Freuden wieder umfangen, | ||
O, so erhalte mein schwebendes Bild vor deinen Gedanken, | ||
Dass du mit gleichem Mute zu Glück und Unglück bereit seist! | ||
Locket neue Wohnung dich an und neue Verbindung, | ||
So genieße mit Dank, was dann dir das Schicksal bereitet. | ||
Liebe die Liebenden rein und halte dem Guten dich dankbar. | ||
Aber dann auch setze nur leicht den beweglichen Fuß auf, | ||
Denn es lauert der doppelte Schmerz des neuen Verlustes. | ||
Heilig sei dir der Tag! Doch schätze das Leben nicht höher | ||
Als ein anderes Gut, und alle Güter sind trüglich.’ | ||
Also sprach er; und nie erschien der Edle mir wieder. | ||
Alles verlor ich indes, und tausendmal dacht’ ich der Warnung. | ||
Nun auch denk’ ich des Worts, da schön mir die Liebe das Glück hier | ||
Neu bereitet und mir die herrlichsten Hoffnungen aufschließt. | ||
O, verzeih, mein trefflicher Freund, dass ich selbst an dem Arm dich | ||
Haltend, bebe! So scheint dem endlich gelandeten Schiffer | ||
Auch der sicherste Grund des festesten Bodens zu schwanken.“ | ||
Also sprach sie und steckte die Ringe nebeneinander. | ||
Aber der Bräutigam sprach mit edler männlicher Rührung: | ||
„Desto fester sei bei der allgemeinen Erschütt’rung, | ||
Dorothea, der Bund! Wir wollen halten und dauern, | ||
Fest uns halten und fest der schönen Güter Besitztum. | ||
Denn der Mensch, der zur schwankenden Zeit auch schwankend gesinnt ist, | ||
Der vermehrt das Übel und breitet es weiter und weiter; | ||
Aber wer fest auf dem Sinne beharrt, der bildet die Welt sich. | ||
Nicht dem Deutschen geziemt es, die fürchterliche Bewegung | ||
Fortzuleiten und auch zu wanken hierhin und dorthin. | ||
Dies ist unser! So lass es uns sagen und so es behaupten! | ||
Denn es werden noch stets die entschlossenen Völker gepriesen, | ||
Die für Gott und Gesetz, für Eltern, Weiber und Kinder | ||
Stritten und gegen den Feind zusammenstehend erlagen. | ||
Du bist mein; und nun ist das Meine meiner als jemals. | ||
Nicht mit Kummer will ich’s bewahren und sorgend genießen, | ||
Sondern mit Mut und Kraft. Und drohen diesmal die Feinde | ||
Oder künftig, so rüste mich selbst und reiche die Waffen. | ||
Weiß ich durch dich nur versorgt das Haus und die liebenden Eltern, | ||
O. so stellt sich die Brust dem Feinde sicher entgegen. | ||
Und gedächte jeder wie ich, so stünde die Macht auf | ||
Gegen die Macht, und wir erfreuten uns alle des Friedens." | ||
Verfasser dieses deutschen Gedichtes ist Johann Wolfgang von Goethe (*1749-08-28 - †1832-03-22). |