Theodor Storm, Knecht Ruprecht |
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Von draußen, vom Walde komm ich her; |
Ich muß euch sagen, es weihnachtet sehr! |
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Allüberall auf den Tannenspitzen |
Sah ich goldene Lichtlein sitzen; |
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Und droben aus dem Himmelstor |
Sah mit großen Augen das Christkind hervor. |
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Und wie ich so strolcht‘ durch den finsteren Tann, |
Da rief’s mich mit heller Stimme an: |
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„Knecht Ruprecht“, rief es, „alter Gesell, |
Hebe die Beine und spute dich schnell! |
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Die Kerzen fangen zu brennen an, |
Das Himmelstor ist aufgetan. |
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Alte und Junge sollen sich nun |
Von der Jagd des Lebens einmal ruhn, |
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Und morgen flieg‘ ich hinab zur Erden; |
Denn es soll wieder Weihnachten werden!“ |
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Ich sprach: „O lieber Herre Christ, |
Meine Reise fast zu Ende ist; |
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Ich soll noch nur in diese Stadt, |
Wo’s eitel gute Kinder hat.“ |
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- „Hast du denn das Säcklein auch bei dir?“ |
Ich sprach: „Das Säcklein, das ist hier; |
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Denn Äpfel, Nuß und Mandelkern |
Fressen fromme Kinder gern.“ |
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- „Hast denn die Rute auch bei dir?“ |
Ich sprach: „Die Rute, die ist hier! |
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Doch für die Kinder nur, die schlechten. |
Die trifft sie auf den Teil, den rechten.“ |
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Christkindlein sprach: „So ist es recht! |
So geh mit Gott, mein treuer Knecht!“ |
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Von draußen, vom Walde komm‘ ich her; |
Ich muß euch sagen: Es weihnachtet sehr! |
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Nun sprecht, wie ich’s hierinnen find‘! |
Sind’s gute Kind, sind’s böse Kind? |
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Author of this German poem is Theodor Storm (Teodoro Stormo, *1817-09-14 - †1888-07-04). |