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Johann Wolfgang von Goethe * Hermann und Dorothea, Neunter Gesang Germana Arg-334-168 2015-01-28 13:14 Manfred nur tiun forigu
Benno Küster Hermano kaj Doroteo, Naŭa kanto [-] Esperanto Arg-335-168 2015-01-28 12:30 Manfred nur tiun aldonu

Johann Wolfgang von Goethe,
Hermann und Dorothea, Neunter Gesang

 
Urania. Aussicht
 
Musen, die ihr so gern die herzliche Liebe begünstigt,
Auf dem Wege bisher den trefflichen Jüngling geleitet,
An die Brust ihm das Mädchen noch vor der Verlobung gedrückt habt,
Helfet auch ferner den Bund des lieblichen Paares vollenden,
Teilet die Wolken sogleich, die über ihr Glück sich heraufziehn!
Aber saget vor allem, was jetzt im Hause geschiehet.
Ungeduldig betrat die Mutter zum drittenmal wieder
Schon das Zimmer der Männer, das sorglich erst sie verlassen,
Sprechend vom nahen Gewitter, vom schnellen Verdunkeln des Mondes,
Dann vom Außenbleiben des Sohns und der Nächte Gefahren,
Tadelte lebhaft die Freunde, daß, ohne das Mädchen zu sprechen,
Ohne zu werben für ihn, sie so bald sich vom Jüngling getrennet.
„Mache nicht schlimmer das Übel“, versetzte unmutig der Vater;
Denn du siehst, wir harren ja selbst und warten des Ausgangs.“
Aber gelassen begann der Nachbar sitzend zu sprechen:
„Immer verdank’ ich es noch in solch unruhiger Stunde
Meinem seligen Vater, der mir, als Knaben, die Wurzel
Aller Ungeduld entriss, dass auch kein Fäßchen zurückblieb,
Und ich erwarten lernte sogleich, wie keiner der Weisen.
„Sagt“, versetzte der Pfarrer, welch Kunststück brauchte der Alte?“
„Das erzähl’ ich euch gern, denn jeder kann es sich merken“,
Sagte der Nachbar darauf.“ Als Knabe stand ich am Sonntag
Ungeduldig einmal, die Kutsche begierig erwartend,
Die uns sollte hinaus zum Brunnen führen der Linden.
Doch sie kam nicht, ich lief, wie ein Wiesel dahin und dorthin,
Treppen hinauf und hinab und von dem Fenster zur Türe.
Meine Hände prickelten mir, ich kratzte die Tische,
Trappelte stampfend herum, und nahe war mir das Weinen.
Alles sah der gelassene Mann; doch als ich es endlich
Gar zu töricht betrieb, ergriff er mich ruhig beim Arme,
Führte zum Fenster mich hin und sprach die bedenklichen Worte:
‚Siehst du des Tischlers da drüben für heute geschlossene Werkstatt?
Morgen eröffnet er sie, da rühret sich Hobel und Säge,
Und so geht es von frühe bis abend die fleißigen Stunden.
Aber bedenke dir dies: der Morgen wird künftig erscheinen,
Da der Meister sich regt mit allen seinen Gesellen,
Dir den Sarg zu bereiten und schnell und geschickt zu vollenden;
Und sie tragen das bretterne Haus geschäftig herüber,
Das den Geduld’gen zuletzt und den Ungeduldigen aufnimmt
Und gar bald ein drückendes Dach zu tragen bestimmt ist.’
Alles sah ich sogleich im Geiste wirklich geschehen,
Sah die Bretter gefügt und die schwarze Farbe bereitet,
Saß geduldig nunmehr und harrete ruhig der Kutsche.
Rennen andere nun in zweifelhafter Erwartung
Ungebärdig herum, da muss ich des Sarges gedenken.
Lächelnd sagte der Pfarrer: „Des Todes rührendes Bild steht
Nicht als Schrecken dem Weisen und nicht als Ende dem Frommen.
Jenen drängt es ins Leben zurück und lehret ihn handeln;
Diesem stärkt es, zu künftigem Heil, in Trübsal die Hoffnung;
Beiden wird zum Leben der Tod. Der Vater mit Unrecht
Hat dem empfindlichen Knaben den Tod im Tode gewiesen.
Zeige man doch dem Jüngling des edel reifenden Alters
Wert und dem Alter die Jugend, dass beide des ewigen Kreises
Sich erfreuen und so sich zum Leben im Leben vollenden!“
Aber die Tür ging auf. Es zeigte das herrliche Paar sich,
Und es erstaunten die Freunde, die liebenden Eltern erstaunten
Über die Bildung der Braut, des Bräutigams Bildung vergleichbar;
Ja, es schien die Türe zu klein, die hohen Gestalten
Einzulassen, die nun zusammen betraten die Schwelle.
Hermann stellte den Eltern sie vor mit fliegenden Worten:
„Hier ist,“ sagt’ er, „ein Mädchen, so wie Ihr im Hause sie wünschet.
Lieber Vater, empfanget sie gut! Sie verdient es. Und liebe
Mutter, befragt sie sogleich nach dem ganzen Umfang der Wirtschaft,
Dass Ihr seht, wie sehr sie verdient, Euch näher zun werden.“
Eilig führt’ er darauf den trefflichen Pfarrer beiseite,
Sagte: „Würdiger Herr, nun helft mir aus dieser Besorgnis
Schnell und löset den Knoten, vor dessen Entwicklung ich schaudre.
Denn ich habe das Mädchen als meine Braut nicht geworben,
Sondern sie glaubt, als Magd in das Haus zu gehen, und ich fürchte,
Dass unwillig sie flieht, sobald wir gedenken der Heirat.
Aber entschieden sei es sogleich! Nicht länger im Irrtum
Soll sie bleiben, wie ich nicht länger den Zweifel ertrage.
Eilet und zeiget auch hier die Weisheit, die wir verehren!“
Und es wendete sich der Geistliche gleich zur Gesellschaft.
Aber leider getrübt war durch die Rede des Vaters
Schon die Seele des Mädchens; er hatte die munteren Worte,
Mit behaglicher Art, im guten Sinne gesprochen:
„Ja, das gefällt mir, mein Kind! Mit Freuden erfahr’ ich, der Sohn hat
Auch wie der Vater Geschmack, der seinerzeit es gewiesen,
Immer die Schönste zum Tanze geführt und endlich die Schönste
In sein Haus als Frau sich geholt: das Mütterchen war es.
Denn an der Braut, die der Mann sich erwählt, lässt gleich sich erkennen,.
Welches Geistes er ist und ob er sich eigenen Wert fühlt.
Aber Ihr brauchtet wohl auch nur wenig Zeit zur Entschließung?
Denn mich dünket fürwahr, ihm ist so schwer nicht zu folgen.“
Hermann hörte die Worte nur flüchtig, ihm bebten die Glieder
Innen, und stille war der ganze Kreis nun auf einmal.
Aber das treffliche Mädchen, von solchen spöttischen Worten,
Wie sie ihr schienen, verletzt und tief in der Seele getroffen,
Stand, mit fliegender Röte die Wange bis gegen den Nacken
Übergosssen; doch hielt sie sich an und nahm sich zusammen,
Sprach zu dem Alten darauf, nicht völlig die Schmerzen verbergend:
„Traun, zu solchem Empfang hat mich der Sohn nicht bereitet,
Der mir des Vaters Art geschildert, des trefflichen Bürgers!
Und ich weiß, ich stehe vor Euch, dem gebildeten Manne,
Der sich klug mit jedem beträgt und gemäß den Personen.
Aber so scheint es, Ihr fühlt nicht Mitleid genug mit der Armen,
Die nun die Schwelle betritt und die Euch zu dienen bereit ist!
Denn sonst würdet Ihr nicht mit bitterem Spotte mir zeigen,
Wie entfernt mein Geschick von Eurem Sohn und von Euch sei.
Freilich tret’ ich nur arm, mit kleinem Bündel ins Haus ein,
Das, mit allem versehn, die frohen Bewohner gewiss macht;
Aber ich kenne mich wohl und fühle das ganze Verhältnis.
Ist es edel, mich gleich mit solchem Spotte zu treffen,
Der auf der Schwelle beinah mich schon aus dem Hause zurücktreibt?“
Bang bewegte sich Hermann und winkte dem geistlichen Freunde,
Dass er ins Mittel sich schlüge, sogleich zu verscheuchen den Irrtum.
Eilig trat der Kluge heran und schaute des Mädchens
Stillen Verdruss und verhaltenen Schmerz und Tränen im Auge.
Da befahl ihm sein Geist, nicht gleich die Verwirrung zu lösen,
Sondern vielmehr das bewegte Gemüt zu prüfen des Mädchens.
Und er sagte darauf zu ihr mit versuchenden Worten:
„Sicher, du überlegtest nicht wohl, o Mädchen des Auslands,
Wenn du bei Fremden zu dienen dich allzu eilig entschlossest,
Was es heiße, das Haus des gebietenden Herrn zu betreten;
Denn der Handschlag bestimmt das ganze Schicksal des Jahres,
Und gar vieles zu dulden verbindet ein einziges Jawort.
Sind doch nicht das Schwerste des Diensts die ermüdenden Wege,
Nicht der bittere Schweiß der ewig drändenden Arbeit;
Denn mit dem Knechte zugleich bemüht sich der tätige Freie;
Aber zu dulden die Laune des Herrn, wenn er ungerecht tadelt,
Oder dieses und jenes begehrt, mit sich selber im Zwiespalt,
Und die Heftigkeit noch der Frauen, die leicht sich entzürnet.
Mit der Kinder roher und übermütiger Unart:
Das ist schwer zu ertragen und doch die Pflicht zu erfüllen
Ungesäumt und rasch, und selbst nicht mürrisch zu stocken.
Doch du scheinst mir dazu nicht geschickt, da die Scherze des Vaters
Schon dich treffen so tief und doch nichts gewöhnlicher vorkommt,
Als ein Mädchen zu plagen, dass wohl ihr ein Jüngling gefalle.“
Also sprach er. Es fühlte die treffende Rede das Mädchen,
Und sie hielt sich nicht mehr; es zeigten sich ihre Gefühle
Mächtig, es hob sich die Brust, aus der ein Seufzer hervordrang
Und sie sagte sogleich mit heiß vergossenen Tränen:
„O, nie weiß der verständige Mann, der im Schmerz uns zu raten
Denkt, wie wenig sein Wort, das kalte, die Brust zu befreien
Je von dem Leiden vermag, das ein hohes Schicksal uns auflegt.
Ihr seid glücklich und froh, wie sollt’ ein Scherz Euch verwunden!
Doch der Krankende fühlt auch schmerzlich die leise Berührung.
Nein, es hülfe mir nichts, wenn selbst mir Verstellung gelänge.
Zeige sich gleich, was später nur tiefere Schmerzen vermehrte
Und mich dränge vielleicht in stillverzehrendes Elend.
Lasst mich wieder hinweg! Ich darf im Hause nicht bleiben;
Ich will fort und gehe, die armen Meinen zu suchen,
Die ich im Unglück verließ, für mich nur das Bessere wählend.
Dies ist mein fester Entschluss, und ich darf Euch darum nun bekennen,
Was im Herzen sich sonst wohl Jahre hätte verborgen.
Ja, des Vaters Spott hat tief mich getroffen, nicht weil ich
Stolz und empfindlich bin, wie es wohl der Magd nicht geziemet,
Sondern weil mir fürwahr im Herzen die Neigung sich regte
Gegen den Jüngling, der heute mir als ein Erretter erschienen.
Denn als er erst auf der Straße mich ließ, so war er mir immer
In Gedanken geblieben: ich dachte des glücklichen Mädchens,
Das er vielleicht schon als Braut im Herzen möchte bewahren.
Und als ich wieder am Brunnen ihn fand, da freut’ ich mich seines
Anblicks so sehr, als wär’ mir der Himmlischen einer erschienen,
Und ich folgt’ ihm so gern, als nun er zur Magd mich geworben.
Doch mir schmeichelte freilich das Herz (ich will es gestehen)
Auf dem Wege hierher, als könnt’ ich vielleicht ihn verdienen,
Wenn ich würde des Hauses dereinst unentbehrliche Stütze.
Aber, ach! Nun seh’ ich zuerst die Gefahren, in die ich
Mich begab, so nah dem still Geliebten zu wohnen.
Nun erst fühl’ ich, wie weit ein armes Mädchen entfernt ist
Von dem reicheren Jüngling, und wenn sie die tüchtigste wäre.
Alles das hab’ ich gesagt, damit Ihr das Herz nicht verkennet,
Das ein Zufall beleidigt, dem ich die Besinnung verdanke.
Denn das musst’ ich erwarten, die stillen Wünsche verbergend,
Dass er sich brächte zunächst die Braut zum Hause geführet;
Und wie hätt’ ich alsdann die heimlichen Schmerzen ertragen!
Glücklich bin ich gewarnt, und glücklich löst das Geheimnis
Von dem Busen sich los, jetzt, da noch das Übel ist heilbar.
Aber das sei nun gesagt. Und nun soll im Hause mich länger
Hier nichts halten, wo ich beschämt und ängstlich nun stehe,
Frei die Neigung bekennend und jene törichte Hoffnung.
Nicht die Nacht, die breit sich bedeckt mit sinkenden Wolken,
Nicht der rollende Donner (ich hör’ ihn) soll mich verhindern,
Nicht des Regens Guss, der draußen gewaltsam herabschlägt,
Noch der sausende Sturm. Das hab’ ich alles ertragen
Auf der traurigen Flucht und nah am verfolgenden Feinde.
Und ich gehe nun wieder hinaus, wie ich lange gewohnt bin,
Von dem Strudel der Zeit ergriffen, von allem zu scheiden.
Lebet wohl! Ich bleibe nicht länger; es ist nun geschehen.“
Also sprach sie, sich rasch zurück nach der Türe bewegend,
Unter dem Arm das Bündelchen noch, das sie brachte, bewahrend.
Aber die Mutter ergriff mit beiden Armen das Mädchen,
Um den Leib sie fassend, und rief verwundert und staunend:
„Sag’, was bedeutet mir dies? Und diese vergeblichen Tränen?
Nein, ich lasse dich nicht! Du bist mir des Sohnes Verlobte.
Aber der Vater stand mit Widerwillen dagegen,
Auf die Weinende schauend, und sprach die verdrießlichen Worte:
„Also das ist mir zuletzt für die höchste Nachsicht geworden,
Dass mir das Unangenehmste geschieht noch zum Schlusse des Tages!
Denn mir ist unleidlicher nichts als Tränen der Weiber,
Leidenschaftlich Geschrei, das heftig verworren beginnet,
Was mit ein wenig Vernunft sich ließe gemächlicher schlichten.
Mir ist lästig, noch länger dies wunderliche Beginnen
Anzuschauen. Vollendet es selbst! Ich gehe zu Bette.“
Und er wandte sich schnell und eilte, zur Kammer zu gehen,
Wo ihm das Eh’bett stand und wo er zu ruhen gewohnt war.
Aber ihn hielt der Sohn und sagte die flehenden Worte:
„Vater, eilet nur nicht und zürnt nicht über das Mädchen!
Ich nur habe die Schuld von aller Verwirrung zu tragen,
Die unerwartet der Freund noch durch Verstellung vermehrt hat.
Redet, würdiger Herr! Denn Euch vertraut’ ich die Sache.
Häufet nicht Angst und Verdruss; vollendet lieber das Ganze!
Denn ich möchte so hoch Euch nicht in Zukunft verehren,
Wenn Ihr Schadenfreude nur übt statt herrlicher Weisheit.“
Lächelnd versetzte darauf der würdige Pfarrer und sagte:
„Welche Klugheit hätte denn wohl das schöne Bekenntnis
Dieser Guten entlockt und uns enthüllt ihr Gemüte?
Ist nicht die Sorge sogleich dir zur Wonn’ und Freude geworden?
Rede darum nur selbst! Was bedarf es fremder Erklärung?“
Nun trat Hermann hervor und sprach die freundlichen Worte:
„Lass dich die Tränen nicht reun, noch diese flüchtigen Schmerzen;
Denn sie vollenden mein Glück und, wie ich wünsche, das deine.
Nicht, das treffliche Mädchen als Magd, die Fremde, zu dingen,
Kam ich zum Brunnen: ich kam, um deine Liebe zu werben.
Aber ach! Mein schüchterner Blick, er konnte die Neigung
Deines Herzens nicht sehn; nur Freundlichkeit sah er im Auge,
Als aus dem Spiegel du ihn des ruhigen Brunnens begrüßtest.
Dich ins Haus nur zu führen, es war schon die Hälfte des Glückes.
Aber nun vollendest du mir’s! O, sei mir gesegnet! –
Und es schaute das Mädchen mit tiefer Rührung zum Jüngling
Und vermied nicht Umarmung und Kuss, den Gipfel der Freude,
Wenn sie den Liebenden sind die lang’ ersehnte Versichrung
Künftigen Glücks im Leben, das nun ein unendliches scheinet.
Und den übrigen hatte der Pfarrer alles erkläret.
Aber das Mädchen kam, vor dem Vater sich herzlich mit Anmut
Neigend und so ihm die Hand, die zurückgezogene küssend,
Sprach: „Ihr werdet gerecht der Überraschten verzeihen,
Erst die Tränen des Schmerzes und nun die Tränen der Freude.
O, vergebt mir jenes Gefühl! Vergebt mir auch dieses
Und lasst nur mich ins Glück, da neu mir gegönnte, mich finden!
Ja, der erste Verdruss, an dem ich Verworrene schuld war,
Sei der letzte zugleich! Wozu die Magd sich verpflichtet,
Treu zu liebendem Dienst, den soll die Tochter Euch leisten.“
Und der Vater umarmte sie gleich, die Tränen verbergend.
Traulich kam die Mutter herbei und küsste sie herzlich,
Schüttelte Hand in Hand; es schwiegen die weinenden Frauen.
Eilig erfasste darauf der gute, verständige Pfarrherr
Erst des Vaters Hand und zog ihm vom Finger den Trauring
(Nicht so leicht; er war vom rundlichen Gliede gehalten)
Nahm den Ring der Mutter darauf und verlobte die Kinder,
Sprach: „Noch einmal sei der goldenen Reifen Bestimmung,
Fest ein Band zu knüpfen, das völlig gleiche dem alten.
Dieser Jüngling ist tief von der Liebe zum Mädchen durchdrungen,
Und das Mädchen gesteht, dass auch ihr der Jüngling erwünscht ist.
Also verlob’ ich Euch hier und segn’ Euch künftigen Zeiten,
Mit dem Willen der Eltern und mit dem Zeugnis des Freundes.“
Und es neigte sich gleich mit Segenswünschen der Nachbar.
Aber als der geistliche Herr den goldenen Reif nun
Steckt’ an die Hand des Mädchens, erblickt’ er den andern staunend,
Den schon Hermann zuvor am Brunnen sorglich betrachtet.
Und er sagte darauf mit freundlich scherzenden Worten:
„Wie? Du verlobest dich schon zum zweitenmal? Dass nicht der erste
Bräutigam bei dem Altar sich zeige mit hinderndem Einspruch!“
Aber sie sagte darauf: „O, lasst mich dieser Erinn’rung
Einen Augenblick weihen! Denn wohl verdient sie der Gute,
Der mir ihn scheidend gab und nicht zur Heimat zurückkam.
Alles sah er voraus, als rasch die Liebe der Freiheit,
Als ihn die Lust, im neu veränderten Wesen zu wirken,
Trieb, nach Paris zu gehen, dahin, wo er Kerker und Tod fand.
‚Lebe glücklich!’ sagt’ er, ‚Ich gehe; denn alles bewegt sich
Jetzt auf Erden einmal, es scheint sich alles zu trennen.
Grundgesetze lösen sich auf der festesten Staaten,
Und es löst der Besitz sich los vom alten Besitzer,
Freund löst sich von Freund: so löst sich Liebe von Liebe.
Ich verlasse dich hier; und wo ich jemals dich wieder
Finde – wer weiß es? Vielleicht sind diese Gespräche die letzten.
Nur ein Fremdling, sagt man mit Recht, ist der Mensch hier auf Erden;
Mehr ein Fremdling als jemals ist nun ein jeder geworden.
Uns gehört der Boden nicht mehr, es wandern die Schätze;
Gold und Silber schmilzt aus den alten heiligen Formen;
Alles regt sich, als wollte die Welt, die gestaltete rückwärts
Lösen in Chaos und Nacht sich auf und neu sich gestalten.
Du bewahrst mir dein Herz; und finden dereinst wir uns wieder
Über den Trümmern der Welt, so sind wir erneute Geschöpfe,
Umgebildet und frei und unabhängig vom Schicksal.
Denn was fesselte den, der solche Tage durchlebt hat!
Aber soll es nicht sein, daß je wir, aus diesen Gefahren
Glücklich entronnen, uns einst mit Freuden wieder umfangen,
Oh, so erhalte mein schwebendes Bild vor deinen Gedanken,
Daß du mit gleichem Mute zu Glück und Unglück bereit seist!
Locket neue Wohnung dich an und neue Verbindung,
So genieße mit Dank, was dann dir das Schicksal bereitet!
Liebe die Liebenden rein und halte dem Guten dich dankbar.
Aber dann auch setze nur leicht den beweglichen Fuß auf;
Denn es lauert der doppelte Schmerz des neuen Verlustes.
Heilig sei dir der Tag; doch schätze das Leben nicht höher
Als ein anderes Gut, und alle Güter sind trüglich.‹
Also sprach er: und nie erschien der Edle mir wieder.
Alles verlor ich indes, und tausendmal dacht' ich der Warnung.
Nun auch denk ich des Worts, da schön mir die Liebe das Glück hier
Neu bereitet und mir die herrlichsten Hoffnungen aufschließt.
Oh, verzeih, mein trefflicher Freund, daß ich, selbst an dem Arm dich
Haltend, bebe! So scheint dem endlich gelandeten Schiffer
Auch der sicherste Grund des festesten Bodens zu schwanken."
Also sprach sie und steckte die Ringe nebeneinander.
Aber der Bräutigam sprach mit edler männlicher Rührung:
"Desto fester sei, bei der allgemeinen Erschüttrung,
Dorothea, der Bund! Wir wollen halten und dauern,
Fest uns halten und fest der schönen Güter Besitztum.
Denn der Mensch, der zur schwankenden Zeit auch schwankend gesinnt ist,
Der vermehret das Übel und breitet es weiter und weiter;
Aber wer fest auf dem Sinne beharrt, der bildet die Welt sich.
Nicht dem Deutschen geziemt es, die fürchterliche Bewegung
Fortzuleiten und auch zu wanken hierhin und dorthin.
›Dies ist unser!‹ so laß uns sagen und so es behaupten!
Denn es werden noch stets die entschlossenen Völker gepriesen,
Die für Gott und Gesetz, für Eltern, Weiber und Kinder
Stritten und gegen den Feind zusammenstehend erlagen.
Du bist mein; und nun ist das Meine meiner als jemals.
Nicht mit Kummer will ich's bewahren und sorgend genießen,
Sondern mit Mut und Kraft. Und drohen diesmal die Feinde
Oder künftig, so rüste mich selbst und reiche die Waffen.
Weiß ich durch dich nur versorgt das Haus und die liebenden Eltern,
Oh, so stellt sich die Brust dem Feinde sicher entgegen.
Und gedächte jeder wie ich, so stünde die Macht auf
Gegen die Macht, und wir erfreuten uns alle des Friedens."
 
Verkinto de tiu ĉi Germana poemo estas
Johann Wolfgang von Goethe (*1749-08-28
- †1832-03-22).