Stine Andresen, An eine Jugendfreundin |
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Du klagtest, Freundin, einst: Ach! Gram ist Tod |
In diesem reichen, warmdurchpulsten Leben! |
O glaube mir! es kann noch Herb'res geben |
Als jenen Gram, den dir das Schicksal bot. |
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So schön hat sich das Leben nicht enthüllt, |
Wie wir geträumt in unsern Jugendjahren. |
Ach, wieviel Täuschung mussten wir erfahren, |
Und wieviel Sehnen blieb uns ungestillt! |
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Die Menschen waren nicht, wie wir gedacht. |
In Trümmer sanken uns're Ideale. |
Und Rosen, die erblüht im Morgenstrahle, |
Zersört ein kalten Reif oft über Nacht. |
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Doch welch' ein Gram dir auch im Herzen zehrt, |
Sucht dir die Welt den reinen Sinn zu trüben, |
Verzage nicht, solang dir eins geblieben, |
Das alles überstrahlt - der innre Wert. |
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War dir das Glück bisher ein bittrer Hohn, |
Wankt oft der Mut, o, lass ihn nicht versinken! |
Dir werden wieder schön're Sterne winken, |
Dem Ringenden wird doch zuletzt die Kron'. |
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Und siehst du manche, die vom Glück umschwebt, |
Und denen stets der Freude Bronnen rauschen, |
Du könntest ninmmer doch mit jenen tauschen: |
Wer nicht gelitten, hat auch nicht gelebt! |
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Verkinto de tiu ĉi Germana poemo estas Stine Andresen (geb. Jürgens, *1849-12-23 - †1927-05-13). |